Tiltbilder mit Anti-Scheimpflug sind "in":

Und deswegen werden sowohl die Photoshop Möglichkeiten (oder auch online) um den Schärfebereich eines Bildes radikal zu reduzieren oft genutzt, aber auch vermehrt Tilt-Objektive eingesetzt.
Es stellt sich dem geneigten Fotografen die Frage, weshalb er sich extra ein Tilt Objektiv anschaffen soll, wenn doch spezielle Aktionen die Arbeit in Photoshop erheblich vereinfachen, und man die ganze Objektivpalette nutzen kann?
Nun, die Bildbearbeitung ahmt die Verstellung nur nach, die starke Auswirkung auf das Unschärfeverhalten (Bokeh) wird dort meines Wissens nach nicht annähernd erreicht. Siehe das Bild ganz unten auf dieser Seite. Auch ist die ursprüngliche Methode der Verschwenkung, die Verlagerung der Schärfenebene um einen größeren Bereich scharf abzubilden, direkt nur optisch zu erreichen. Zudem gestaltet es sich einfacher, wenn man durch den Sucher direkt die Auswirkungen sieht, so werden zum Teil Motive erst gefunden.

Kauf oder Bau?

Kaufen möchte ich rufen - denn die Wirtschaft muß laufen. Und wenn nur genug Hobbyfotografen sich Unmengen an Objektiven neu kaufen, wird auch ab und an ein Gebrauchtes für mich günstig abfallen.
Jedoch, wenn man sein Geld nicht mit der Fotografie verdient, keinen Goldesel oder Lottogewinn hat, ist die Alternative eines Selbstbaues verlockend. Liegen doch die Neupreise von den üblichen Tilt/Shiftobjektiven meist weit über 1000 Euro, Tiltadapterlösungen mit Mittelformatobjektiven sind da zumindest eine überlegenswerte Alternative.

Bisher übliche DIY Wege:

Üblicherweise werden Mittelformat-Optiken (zum Beispiel aus alten Agfa Isolette Messucherkameras) vor die Kamera montiert - meist mittels einer Art Balgen. Dies hat den Nachteil, das man stets das Objektiv in Position halten muß, Arbeiten mit längeren Verschlußzeiten vom Stativ sind nicht möglich.
Zudem haben die Mittelformatobjektive oft die dumme Eigenart eher von längerer Brennweite zu sein, als man sie für Kleinbild oder Cropkameras haben möchte. 80 mm sind da das verbreitete Normalobjektiv.
Es besteht auch die überaus aufwendige Möglichkeit perfektionistisch die übliche Tilt Mechanik der kommerziellen Tilt-Optiken mehr oder minder zu kopieren - entsprechende Werkstatt, Wissen und Zeit vorausgesetzt.

Mein neuer TILT-Ansatz:

Nicht ganz neu, aber früher selten veröffentlicht:
Da ich oft mit einer Crop DSLR arbeite, benötige ich kein Mittelformat-Objektiv um ausreichend Verstellweg zu haben - ein Kleinbild / Vollformatobjektiv reicht!
Dies ist der Grundansatz, der viele Möglichkeiten eröffnet, und vor allem Weitwinkel-Tiltobjektive bis hinab zu 12 mm ermöglicht, ohne sich in unabmessbare finanzielle Ausgaben zu stürzen.
Oder es läßt sich die hohe Lichtstärke von Kleinbild-Objektiven nutzen, ich habe unter anderem ein Canon 50/1.4 als Tilt - und bin damit 2 volle Blenden lichtstärker als Tiltoptiken der Objektivhersteller. Die Qualität der bisher von mir verwendeten Canon FD Objektiven ist absolut befriedigend - auch bei 100% Ansicht.
-> Ansatz No.2

Die Verstellung per Balgen ist schön und gut, aber doch oftmals nicht befriedigend!
Auf der Suche nach dem idealen Verstellelement kamen mir Ideen wie der Deoroller mit der Kugelfassung (zu klein & instabil), eine Reduzierkugel aus der Dreipunkt-Hydraulik eines Traktors (zu schwer, zu teuer, zu wackelig), ein Gelenk eines Lüftungsrohres (zu groß). Und schließlich auch die Idee eine schwenkbare Lampenfassung zu benutzen.
Bei der Suche mußte ich leider feststellen, das die Idee einer wirklichen Kugelschwenkung in alle Richtungen dort nicht üblich ist, was aber mein Vorhaben nicht weiter störte. Dafür ist der Aufbau aus Metall, was auch noch nach mehreren tausend Verstellungen kein leichtgängiges wackeln fürchten läßt.
-> Ansatz No.3

Mein persönlicher Way of Tilt:

Der erste Ansatz so 2002 rum war ein Objektivrückdeckel und ein Kameradeckel. Beide mit Löchern versehen mit möglichst großem Durchmesser. Dann ein schwarzer Luftballon (gibts selten) aufgeschnitten und dazwischengeklebt. Feritg ist der Tilt-Shift Universalbalgen. Taugte halt nur für Nahaufnahmen in meiner Konfiguration damals.
Nimmt man ein Mittelformat Objektiv und einen entsprechenden Deckel an eine KB-Kamera, dann erreicht man auch die Unendlich-Einstellung.

Der zweite Ansatz war für meine Crop-Canon EOS DSLR:

Canon FD 28 / 2.8 ohne Bajonett und Blendenringe Canon FD 28 / 2.8 Tilt Shift Objektiv
Man nehme ein Canon FD 28 mm / 2.8 Objektiv, entferne davon das Bajonett und den Blendenring. Dafür klebt man dicken schwarzen Isolier-Schaumstoff an das kameraseitige Ende, und schwupps hat man ein universelles Tilt-Shift Objektiv für die DSLR mit hoher optischer Qualität. Eine Kollision des Spiegels hatte ich mit diesem Aufbau und der EOS 350D noch nie.
Obenstehendes Bild aus Hamburg entstand damit - das FD 28 mm / 2.8 bringt eine erstaunliche Leistung!

Der dritte Ansatz:
Wenn man aber doch auch gerne vom Stativ mit längeren Belichtungszeiten arbeiten will, oder Angst hat die Optik fällt einem zu schnell in den Matsch, kommt diese Lösung zum Tragen. . Verkaufsfertige Kameralösungen sind mein Job, beim Hobby geht es mir um einfache, schnelle und gerne wie hier und bei meiner Kamera mit Wechselfilter um gänzlich neue Wege. Als Hobby baue ich Photographie-Werkzeuge - also mein Hammer für die Photographie. Gut aussehen muß es nicht, nur die Bilder die rauskommen, die sollen gut sein.

Ca. 4 Stunden Arbeit, Material um schätzungsweise 50 Euro: Canon FD 50 / 1.8, Paulmann Tip Halogen Einbauleuchte 98733, Einschraubfilter z.B. mit 58 mm Durchmesser, Retroring / Umkehrring für das Kameramodell und den Filter passend. Benötigte Geräte: Metallfeile, Heißklebepistole, Schraubendreher klein, kleine Rohrzange.
Die Lösung geht so bis Unendlich nur für Crop-Kameras, also nicht Vollformat mit 24x36 mm großem Sensor.

Halogenlampenhalter

Hier der Haltering der schwenkbaren Halogenlampe. Die Nasen an der Rückseite zur Begrenzung der Schwenkung können weggebogen werden. Der hintere Ring, der in Richtung Kamera zeigen wird, wird auf Höhe der Löcher dieser Begrenzungsflügelchen nach innen gebogen, in etwa im 90° Winkel.

Filterfassung eingeklebt

An dieser unebenen Fläche soll dann die Filterfassung, deren Glas vorher entfernt wurde, mit Heißkleber befestigt werden. Und zwar so, dass der passende Umkehrring / Retroring aufgeschraubt werden kann, und damit als Adaption an die Kamera dient.

Optimalerweise sollte die Biegung unterhalb der Löcher sein, damit überall im verschwenkten Bild auf Unendlich gestellt werden kann. Ich mußte dazu dann am Schwenkteil der Lampenfassung einen Teil des äußeren Randes durch mehrfaches Biegen mit der Zange abbrechen.

Canon FD 50 / 1.8Canon FD 50 / 1.8 Bajonett


Hier die Optik, ein Canon FD 50 mm / 1.8 (Sechlinser soweit ich weiß). Die Schrauben des Bajonettes werden entfernt. Seitlich am Chromring, und hinten am Bajonett. Der Chromring läßt sich nach drücken eines halb verdeckten Knopfes (siehe rechtes Bild) drehen.

Canon FD 50 / 1.8 Bajonettring entfernt Blendenring entferntFokusschnecke am Objektivstummel

Nunmehr wird die Optik soweit demontiert, dass nur der eigentliche Stummel mit den Linsen und der Blende übrig bleibt. Die Blende kann z.B. voll geöffnet mit Heißkleber fixiert werden.

Fokusschnecke außen in Lampen-Schwenkfassung

Der äußere Teil des Schneckenganges wird in die Halogenlampenfassung eingepaßt. Dazu ist die Feile nötig.
Mittels schwarzem Edding und dunklem Fenster / Türen-Isolierband kann der Aufbau gegen Fremdlicht gesichert werden.

Tilt-Objektiv-Eigenbau an Kamera

Fertig ist das Quick and Dirty Tilt Objektiv! Das hier gezeigte ist gleichzeitig der erste Prototyp.
Hohe Lichtstärke, beliebige Tilt-Richtung und ein großer Verstellbereich zeichnen diese Optik aus.

Nach einigen Monaten hier ein kleines Update:
Bei dieser Version ist der Ring der Lampenfassung öfters mal den Fingern im Weg - das gibt Abzüge in der Haltungsnote. Auch kann der Ring am Blitz-Unterbau der EOS 350D anstoßen.
Positiv zu bewerten habe ich die optische Qualität der Objektive, und die bleibende Dämpfung der Verstellung - Metall hält
Nach wie vor beurteile ich dieses Projekt sehr positiv.

Diese Optik läßt sich eingeschränkt im Nahbereich (je nach Verstellung) auch an Vollformat-Kameras wie der EOS 5D nutzen, dafür empfehle ich aber dringend Vortests mit einer präparierten alten billigen EOS 500N wie hier beschreiben. So lassen sich die Grenzen ausloten.

Erste Tilt-Bilder mit No.3:

Oben mit geringer "Schärfentiefe" unten mit großer scheinbarer "Schärfentiefe" - genaugenommen ist die Schärfentiefe gleich (~gleicher Abstand, gleiche Blende), nur in einer anderen Richtung. Das obere Bild ist ein Anti-Scheimpflug, das untere ist einigermaßen unter Scheimpflug-Bedingungen aufgenommen.

Weitere Bildbeispiele - mit Bokeh:



Hier ein Bild mit meinem Canon FD 50/1.4 Tilt-Objektiv in Lampen-Schwenkfassung aufgenommen:



Hier noch ein paar Fingerübungen zu Scheimpflug-Verstellung mit solchen simplen Selbstbau-Tilt-Optiken - hier dem Canon FD 50mm f/1.4 soweit ich mich erinnere bei Offenblende - und einem Ising Gnom als Motiv:

Jetzt der Sprung in das bewußtere Legen der Schärfe nach Scheimpflug bei Offenblende 1.4 - links mehr oder minder gerader paralleler Objektiv-Normalstellung, rechts die Schärfenenbene in die Objektebene gelegt.
Alles frei aus der Hand, also keine 100% Übereinstimmung der Kameralage - und keine bestmögliche "Schärfendehnung".



Nochmals das selbe - nur jetzt mit sehr starker Verstellung, die zu einem Farbdrift am oberen Rand führte - und deutlicher Vignettierung. Dürfte auch Blende 1.4 sein.



Bei folgendem Bildpaar ist insbesondere der weiße Fleck links oben interessant. Bei einer simplen Abblendung zur erweiterung des scharfen Bereiches der Bank, wäre der weiße Fleck wesentlich schärfer und definierter - mit Scheimpflug nicht , da weit abseits von der gelegten Schärfenebene.

Klar ist, das mit höherem Aufwand bessere Lösungen möglich sind.
Ebenso klar ist, das mit den "richtigen" Tilt & Shift Optiken mehr Möglichkeiten bestehen, und exakter gearbeitet werden kann.

Mein 28 mm Canon FD hat leider einen etwas kleineren Schneckengang - und läßt sich somit nicht ohne weiteres austauschen.

Vierter Ansatz eines Tilt-Objektives: Canon FD 50/1.4 ebenfalls in Halogenlampenfassung: Bei dem neusten Experiment habe ich die Halogenlampenfassung abgesägt und nicht gebogen. Als Kameraansatz dient eine Metall-Streulichtblende welche stramm sitzend auf die Lampenfassung geschoben werden kann. An die Sonnenblende habe ich einen Retroring mit EF-Mount geklebt.

Verschiedenen Tilt-Bilder mit diesen Objektiven finden sich in meiner Gallerie!
Zum Beispiel: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9

Links zu weiteren Tilt / Shift Objektive-Eigenbauten:

Tilt-Shift mit Balgen und Kugelkopf, User Beuteltier auf nikon-fotografie.de

Lowbudgetshooting.de: Tilt / Shift Optik aus einer alten Balgenkamera

DSLR-Forum: Tilt Shift in Edelausführung, auch eine KB Optik für eine Crop-DSLR

Nachbau der Idee von Dennison Bertrams Tilt & Shift Optik

Etwas ausführlichere Anleitung der selben Idee, creativepro.com

Andere Version eines losen T/S Objektives, mit einem ~ Stoffbeutel

Große Tilt / Shift Linksammlung mit Links zu guten Beispielen, Hamish D. Grant

Tiltobjektiv mit festem Tiltwinkel aus einem Kunststoff-Wasserrohr, Von Olaf Gnau

Ein sehr schöner Nachbau meiner Lösung mit einem LED Schwenkgehäuse, von Thomas Berndt

Ein weiterer Nachbau nah an meiner Lösung, von Jonas Schmid